Orte Paul Celans

Als 20-jähriger erlebte Celan im Zuge des Hiltler-Stalin-Pakts den Einzug der Roten Armee (mittlerweile hatte Russland die Bukowina annektiert). 1941 zogen rumänische Truppen in Czernowitz ein (Rumänien hatte sich unter General Antonescu gegen Stalin mit Deutschland verbündet), und bis zum August 1941 wurden in Czernowitz bereits über 3000 Juden ermordet. Zwischen 1941 und 1942 fanden Deportationen aus dem inzwischen errichteten Czernowitzer Ghetto nach Transnistrien statt. (Nach Angaben des Celan-Biographen Israel Chalfen waren in dem Ghetto etwa 45.000 Juden auf engstem Raum eingesperrt, in den Unterlagen zum Eichmann-Prozess von 1961 wird unter der Dokumentennummer T/1000 sogar von 70.000 Juden gesprochen). Celan wird bis Februar 1944 in verschiedene rumänische Arbeitslager verbracht, u.a. eins in Täbäresti bei Buzau (etwa 120 km östlich von Bukarest), wo er bei Straßenbauarbeiten, wie er es lakonisch nannte, zum „Graben und Schaufeln“ gezwungen wird. Im Juni 1942 werden auch Celans Eltern deportiert. Im Winter 1942 stirbt der Vater an Typhus und wenig später (wohl Anfang 1943) wird seine Mutter, zu der er eine besonders innige Beziehung hatte, im Konzentrationslager Michailowka, östlich des Bug in der Ukraine, wohl durch Kopfschuss getötet. Hier starb auch Celans Cousine, die erst achtzehnjährige Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942) an Flecktyphus. Sie hinterließ ein kleines Bändchen Gedichte mit Natur- und Liebeslyrik, und Celan machte 1969 seinen Jugendfreund David Seidmann auf das Gedicht „Poem“ aufmerksam, in dem es heißt: Ich möchte leben. / Ich möchte lachen und Lasten heben / und möchte kämpfen und lieben und hassen / und möchte den Himmel mit Händen fassen / und möchte frei sein und atmen und schreien.

Celan machte sich sein Leben lang Vorwürfe, seine Eltern nicht gerettet zu haben. In der Psychologie spricht man von „surviver-guilt“, die Überlebende zeitlebens quält. Doch hätte er sie retten können? Die Geschichte, dass Celan noch am Abend vor ihrer Deportation vergeblich versuchte, sie zur Flucht in eine nahe gelegene Fabrik zu überreden, in der er selber für einige Tage untertauchte, ist wohl nach Berichten von Edith Silbermann („Begegnung mit Paul Celan“) und auch nach Aussagen seiner Frau Gisèle nicht aufrecht zu halten.

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