Orte Paul Celans
Schläfenzange, Rundgräberschatten, mitschwörende Ferse, Lichtton, Sekundengestalt, Kranichsame, geronnene Herzmeere, Herztrabant, leuchtendes Graugericht, Ewigkeitszähne, Gletscherwiesen und Gletscherstuben, Schneepart und Atemkristall sind solche Schöpfungen - häufig Komposita oder scheinbare Antinome, die Celan erfand oder in längst vergessenen Wörterbüchern (oft Grimms), popularwissenschaftlichen Büchern und in Presse-Artikeln wieder entdeckte.
„Lesen, immer nur lesen - das Verständnis kommt von selbst“, sagte Celan über seine oft als hermetisch (als schwer zugänglich, wenn nicht ganz und gar verschlossen) und dunkel bezeichnete Dichtkunst. Verschlossenheit - warum will ein Dichter sein Gegenüber, sein „Du“, mit schwer Entzifferbarem bedrängen?
Er wollte es so - Celan verlangte das Suchen auch von seinen Lesern. Das Geschehene - er nannte es „das, was geschah“ -, das mit nichts zu vergleichen war, forderte eine dunkle Sprache, die zum Verstummen neigt. „Er wollte lieber unverstanden bleiben, als falsch verstanden zu werden“, vermutet der Celan-Kenner Theo Buck, und es ist sicher richtig, wenn Uta Werner in ihrem Buch „Textgräber“ bemerkt: „‚Die ,Unverständlichkeit' der Celanschen Lyrik hat mithin ‚System', denn das Auffinden des Traumas ‚Auschwitz' im Gedicht ist von der Nachwelt zu leisten“.
Franz Wurm, jüdischer Dichter und bis zuletzt einer der besten Freunde Celans, berichtete: „Er las mir Gedichte vor, und wenn ich sie nicht sofort verstand, las er sie noch einmal und noch einmal. Erklärt hat er sie nie.“
Celan selber hat sich dennoch gegen den Vorwurf gewehrt, hermetische Dichtung zu schreiben. Und Hans Mayer, Literaturwissenschafter und Freund des Dichters, erinnert sich, dass Celan „äußerst heftig werden konnte, wenn von der Dunkelheit seiner Verse geredet wurde.“