Orte Paul Celans

Manche bezeichnen Celans Suizid als sein letztes Gedicht. Eine gewagte Interpretation, die man allerdings verstehen kann, wenn man manche seiner späten Gedichte liest; sie sind oft aus nur drei oder vier Versen bestehende extreme Verdichtungen von Assoziationen wie:

Die nachzustotternde Welt,
bei der ich zu Gast
gewesen sein werde, ein Name
herabgeschwitzt von der Mauer,
an der eine Wunde hochleckt.

(aus „Schneepart“)

oder:

„Wie Du“
Wie du dich ausstirbst in mir:
noch im letzten
zerschlissenen
Knoten Atems
steckst du mit einem
Splitter
Leben.

(aus „Lichtzwang“)

Celan war auf der Suche nach einer Sprache, die bis dahin unerhört war - im eigentlichen Sinn des Wortes: Unerhört, und einer Sprache, die nicht verdorben war vom Geschehenen. Die zu Beginn zitierten Gedichte „Fadensonnen“ und „Keine Sandkunst mehr“ stammen aus dem Band „Atemwende“. Er nimmt in Celans Werk eine Sonderstellung ein. Mehr noch als in den vier Gedichtbänden zuvor („Mohn und Gedächtnis“, 1952, „Von Schwelle zu Schwelle“, 1955, „Sprachgitter“, 1959, „Die Niemandsrose“, 1963) erschafft oder entdeckt Celan eine neue bzw. vergessene Wörterwelt und leitet eine Sprachwende ein.

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