Orte Paul Celans

Die Antwort „Siebenzehn“ verweist sicher auf die 17 Gedichte seines ersten Gedichtsbandes „Der Sand aus den Urnen“, könnte sich, wie der amerikanische Biograf John Felstiner meint, aber auch auf das zentrale jüdische Achtzehn-Bitten-Gebet (Schmone Esre) beziehen, also eins weniger als achtzehn. Oder einfach nur auf die Zahl achtzehn, die hebräisch geschrieben auch „lebendig“ bedeutet. „Was weiß dein Gesang, oder deine Sprache ?“ Kann sie, die herkömmliche Sprache, angesichts des unvorstellbaren Grauens etwas sagen?

Die Schlusszeile: „Tiefimschnee / Iefimnee / I - i - e.“ - seine Eltern waren im kalten, verschneiten Winter in der Ukraine getötet worden (der Vater starb an Typhus, die Mutter wohl durch Kopfschuss im Lager Michailovka in der Ukraine)- verstummt erneut, selbst im Deutschen (I - i - e), aber mehr noch im Hebräischen, wo sie in einer Übersetzung restlos verstummen würde, da im Hebräischen keine Buchstaben für Vokale geschrieben werden.

Celans bekanntestes Gedicht - „Todesfuge“ - ist vielleicht das berühmteste deutschsprachige Gedicht des 20. Jahrhunderts. Nicht selten wird es als dichterisches Pendant zu Picassos „Guernica“ gesehen. „Todesfuge“ ist ein frühes, aber schon ausgereiftes Werk, das mehr als jede Aufzählung von Fakten über die Verbrechen während des Churban Unsagbares zu sagen vermag. Wie schreibt Imre Kertész in seinem Roman „Fiasko“ so zynisch wie treffend: „Das Problem mit den Fakten - so wichtig sie auch sein mögen - ist, dass es zu viele davon gibt und dass sie die Phantasie schnell zermürben. Gehäuft sind Bilder von Morden ebenso mörderisch langweilig und frustrierend wie die zu ihrer Verrichtung nötige Arbeit selbst. Anstelle eines paradigmatischen Todes können Fakten lediglich mit Bergen von Toten aufwarten.“

Auf der Suche nach einer Sprache, die das Unfassbare benennen könnte, hat Paul Celan Gedichte von unheimlicher Bedrängnis, bedrückender Intensität und fast unzugänglicher Metaphorik geschaffen. „Wenn die Welt aus den Fugen ist, kann die Sprache nicht in den Fugen bleiben.“ (Celan)

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