Orte Paul Celans
Bei meiner Beschäftigung mit Celans Werk und Leben seit fast 20 Jahren habe ich bisweilen wie auch
viele andere, die sich intensiv mit Celan beschäftigen, eine, wie John Felstiner es nennt „grausame Energie“ empfunden,
die an Begeisterung grenzt.
Uta Werner schreibt in ihrem Buch „Textgräber“, „Den Holocaust, also die Shoah oder den Churban (Holocaust meint
wörtlich “Brandopfer“ und daher vermeiden viele Juden diesen Begriff) als das größte Verbrechen der
Menschheit oder als den größten Massenmord aller Zeiten zu bezeichnen, wie es ja oft geschieht, bedient durch
diesen Superlativ letztlich nur einen Gemeinplatz, der sich weder wirklich beschreiben noch annähernd
verständlich machen läßt. Wenngleich diese Aussage auch richtig sein mag, lassen sich weder das
eigentlich Geschehene noch dessen welthistorische Besonderheit von hier aus weiter herausarbeiten. Es gibt aber kein
Massaker der Weltgeschichte, auch keines des 20. Jahrhunderts, weder „Pol Pot“ noch den „Gulag“, dessen Gewaltakzent nicht
nur auf der „bloßen“ Ermordung von Abermillionen Menschen, sondern buchstäblich auf der Vernichtung
von Abermillionen von Toten lag.“
Durch das Verbrennen der Leichen wurde den Toten nicht einmal ein Grab gewährt, was in fast jeder Religion als Sakrileg, aber ganz besonders in der jüdischen Religion als größter Frevel gesehen wird. Es wird also mit aller Schärfe für die Nachwelt deutlich, dass der Versuch, die Todesindustrie von Auschwitz in Kategorien herkömmlicher Historisierbarkeit wahrzunehmen und zu werten, ausschließlich Unangemessenheit produziert. Abgesehen von der Unsinnigkeit angesichts des unvorstellbaren Grauens einen Wettbewerb des Schreckens auszuloben.
Celan hat aber mit seiner Dichtung auch Textgräber geschaffen - er selbst bezeichnete einmal in einem Brief an Franz Wurm die Todesfuge als das einzige Grab seiner Mutter. „In seiner Sprache schuf er einen Gedächtnisort, der tatsächlich in sich birgt, was unfaßbar ist und unfaßbar bleibt.“ (Uta Werner)