Orte Paul Celans
In dem Essay „Die schwimmenden Hölderlintürme“ von 1993 schreibt Axel Gellhaus:
„Haben Gedichte wie die von Paul Celan etwas mit Orten der von ihnen selbst entworfenen, Sprache gewordenen Landschaft,
außerhalb einer von ihnen selbst gezeichneten Landkarte, oder mit Daten eines für jedermann gültigen
Kalenders zu tun? Kommt man dem Verständnis eines Textes oder Werkes in seinem Kern näher, wenn man den
Spuren seines Autors, etwa Hölderlins Weg von Nürtingen nach Bordeaux, folgt? Rhetorische Fragen - sofern man
mit dem Begriff des Verstehens mehr intendiert als die sachliche Kommentierung von Realien in einem poetischen Text.“
Dennoch gilt natürlich, wie Theo Buck in seinem Buch „Celan und Frankreich“ (Rimbaud 2002)
richtig anmerkt: „Realitätssplitter, die Celan dann in überlegter Arbeit zu poetisch signifikanten Zeichen erhob,
haben häufig konkrete Ursprünge, aber sie bleiben, wie jeder Erlebnisgrund, bloßes Material der Anregung
für den transformierenden poetischen Gestaltungsprozess.“
Ich denke, kaum ein anderes dichterisches Werk war so verknüpft mit bestimmten Orten und Daten wie das Celans. Und seine Leser haben ein berechtigtes Bedürfnis, Celans Lebensräume zu sehen. In einem Brief an Hans Bender aus dem Jahr 1960 schreibt Celan in Hinblick auf das Handwerk eines Dichters: „Handwerk - das ist Sache der Hände. Und diese Hände gehören wiederum nur einem Menschen, d.h. einem einmaligen, sterblichen Seelenwesen, das mit seiner Stimme und seiner Stummheit einen Weg sucht. Nur wahre Hände schreiben wahre Gedichte. Ich sehe keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Händedruck und Gedicht.“
Leben und Werk hängen also für Celan sehr eng zusammen. Sicher kann man viele seiner Gedichte verstehen (oder zu verstehen glauben), ohne die Biographie genau zu kennen, aber die Kenntnis seiner Stationen und Wege erleichtern m. E. den Zugang zu manchen. In einem Brief an Erich Einhorn schrieb Celan 1962: „Ich habe nie eine Zeile geschrieben, die nicht mit meiner Existenz zu tun gehabt hätte.“